Am kommenden Donnerstag berät der Bildungsausschuss auf meine Initiative über eine Bundesratsinitiative des Landes Berlin zum Elterngeld. Die Piratenfraktion fordert in dieser Drucksache einen Anspruch auf Vorauszahlung für Antragssteller*innen, die noch auf ihren Bewilligungsbescheid warten. Denn der massive Bearbeitungsrückstau durch den eklatanten Personalmangel in den Bezirken bescherte Berliner Eltern schon enorme Wartezeiten. Eine Vorauszahlung von mindestens 300 € soll die Geldsorgen der betroffenen Familien lindern. Weiterhin kritisiere ich das Missmanagement des Senats bei der Personalausstattung der Jugendämter.

Das lange Warten auf das Elterngeld

Eltern sein erfordert Geduld – als allererstes beim Warten auf das Elterngeld. Zu wenige Mitarbeiter*innen in den Jugendämtern und steigende Geburtenraten sorgten bereits für einen hundertfachen Bearbeitungsrückstau bei den Anträgen auf Elterngeld. Einige Berliner Bezirke ließen junge Familien bis zu 23 Wochen (also mehr als vier Monate!) ohne Einkommen. Doch nach der Geburt eines Kindes wird es in der Haushaltskasse ohnehin oft knapp: Viele Dinge müssen angeschafft werden, mindestens ein Elternteil verzichtet in der Elternzeit auf sein volles Gehalt. Besonders Geringverdiener*innen ohne nennenswerte Ersparnisse droht durch die langen Bearbeitungszeiten der Elterngeldanträge existenzielle Not. Im Petitionsausschusses habe ich deshalb immer wieder über Eingaben von Betroffenen beraten müssen.

Gesetzlicher Anspruch auf Abschlagszahlung

Wir haben schon 2013 unsere Forderung nach einer Bundesratsinitiative des Berliner Senats zur Änderung des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternteilzeit (BEEG) ins Abgeordnetenhaus eingebracht (1). Junge Eltern sollen zukünftig einen rechtssicheren Anspruch auf eine Vorauszahlung von mindestens 300 € bekommen. Mit den Abschlagszahlungen kann bis zur endgültigen Bewilligung des Elterngeldes der Lebensunterhalt notdürftig bestritten werden, ähnlich wie es beim BaföG schon Praxis ist. (2.2) Auch wenn unsere Initiative am Ende wieder der „Koalitionsdisziplin“ zum Opfer fällt: Der Vorschlag wurde in der Debatte während der 30. Plenarsitzung zunächst unterschiedlich aufgenommen. Grüne und Linke forderten in erster Linie mehr Personal für die Elterngeldstellen. Die CDU zeigte sich über eine Vorauszahlung gesprächsbereit, die SPD sah hingegen gar keinen Handlungsbedarf.

Bisher wegen Personalmangel keine Vorauszahlungen

Richtig ist, dass auch nach dem geltenden Recht Vorschüsse beim Elterngeld möglich sind. Uns wurde aber vielfach berichtet, dass die Berliner Jugendämter davon keinen Gebrauch machen. (2) Denn das bedeutet noch mehr Arbeit. Für Familien in Notlagen muss es dennoch die Möglichkeit einer Abschlagszahlung geben. Ich werde mich deshalb im Bildungsausschuss weiter für die Bundesratsinitiative einsetzen, damit auf Bundesebene schnell eine verbindliche Regelung getroffen wird. In Berlin hat sich momentan die Situation entspannt. Im November des letzten Jahres bezifferte der Senat die Wartezeit ab Antragstellung im Durchschnitt mit zwei bis vier Wochen. (3) Was passiert aber, wenn die Zahl der Geburten weiter steigt und das knapp kalkulierte Personal die Elterngeldanträge erneut nicht bewältigt? Oder wenn in einer einzigen Elterngeldstelle plötzlich die Hälfte aller Mitarbeiter*innen ausfällt, wie im Sommer 2012 in Charlottenburg- Wilmersdorf geschehen?

Mehr Personal für die Jugendämter im zweiten Schritt

Über die verbindliche Festschreibung einer Vorauszahlung beim Elterngeld dürfen wir jedoch den Personalmehrbedarf der Bezirke nicht aus dem Blick verlieren. Die Stadt wächst, immer mehr Kinder werden geboren. Sechs weitere Vollzeit-Mitarbeiter*innen genehmigt der Senat mit dem neuen Haushalt allen Berliner Kitagutschein- und Elterngeldstellen zusammen. (4) Das ist in Anbetracht der massiven Bevölkerungszunahme nichts als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die PIRATEN haben sich deshalb bei den letzten Haushaltsberatungen den Forderungen der Fraktion DIE LINKE nach zusätzlichen 4,05 Mio. € für eine bedarfsgerechte Personalausstattung der Jugendämter angeschlossen. (5) Erwartungsgemäß wurde diese Initiative durch die Koalition abgelehnt. Stattdessen antwortete die Jugendverwaltung auf eine schriftliche Anfrage von mir: “Im Zuge der Fortsetzung des Prozesses der AG Wachsenden Stadt soll das Aufgabenfeld Elterngeld weiter betrachtet werden.” (6) Ich werde nun kritisch verfolgen, was der Senat mit dieser Ankündigung macht. Berlins Familien sind auf eine leistungsfähige Verwaltung angewiesen. Wir haben nicht ewig Zeit, um ihnen eine attraktive Infrastruktur zu schaffen.


Autorin: Susanne Graf

(1) http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-0883.pdf
(2) http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/protokoll/plen17-030-pp.pdf, S. 2926ff
(3) vergl. § 51, Abs. 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
(4) http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/SchrAnfr/s17-17359.pdf
(5) http://www.parlament-berlin.de/ados/17/Haupt/protokoll/h17-096-bp.pdf, S. 48
(6) http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/SchrAnfr/s17-17359.pdf

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