von Jana Buchmann & Bruno Kramm

In einem jüngeren Artikel einer Kulturredakteurin im Freitag wird die nahezu paranoide Behauptung – ohne jegliche Indizien und Beweisgrundlage – aufgestellt, dass die Piratenpartei den Berliner Wahl-O-Mat gehackt hätte. Diesen Vorwurf, die Piratenpartei hätte sich „nach oben gehackt“ weisen wir natürlich entschieden zurück!

Ausgangspunkt dieser absurden Behauptung ist das Ergebnis des Wahl-O-Mat der Landeszentrale für politische Bildung bei dem die Piratenpartei im Vergleich zu aktuellen Umfragen ein Wählerpotential von 20% erreicht (und die AfD vergleichsweise schlecht abschneidet). Dieses Ergebnis steht im Kontrast zu den Wahlprognosen der Piratenpartei, die aktuell bei etwas mehr als 3% liegen. Da wir unter „Kultur“ wie diese Kulturredakteurin im Freitag (Link) nicht das haltlose Umsichwerfen von Verschwörungstheorien ohne jegliche Beweislage verstehen, möchten wir hiermit eine alternative Erklärung und Systemkritik vorstellen, die uns gleichzeitig unermüdlich antreibt, das heutige Politiksystem zu ändern.

Zwischen der Methode des Wahl-O-Mats und den Entweder-Oder-Mehrheitsentscheiden der Wahlumfragen liegen nämlich Welten, Welten vom Traum echter Demokratie, Teilhabe und Menschenrechtsschutz versus der aktuellen Welt, auf die wesentlich besser der Begriff der „Dämonskratie“ passt. Dieser fundamentale Unterschied bedingt unserer Auffassung nach die Diskrepanz von 20% versus 2 bzw 3% Potential der Piratenpartei. Um unsere folgende Erklärung vollständig zu verstehen, sei der Leser gebeten, selbst weiter zu recherchieren und sich nicht täuschen zu lassen durch Medien und einen Politapparat, der schlicht nicht dafür geeignet ist, eine friedliche, transparente, selbstbestimmte und menschenrechtsorientierte Entscheidungsfindung zu gewährleisten.

Wie erklären wir uns also diese Diskrepanz von 20% vs.3% Potential der Piratenpartei?

Der Wahl-O-Mat kommt dem sehr nahe, was unserer Auffassung nach, echte Demokratie ist. Der/die Wählende wird direkt gefragt, wie gut einzelne politische Forderungen mit seinem/ihrem Weltbild und seinen/ihren persönlichen Werten zusammenpassen. Um die Fragen im Wahl-o-Mat gültig zu beantworten, muss der/die Wählende bewusst und gewissenhaft sogenannte Passungsabgleiche vornehmen, inwiefern die einzelnen Forderungen der Parteien mit seinen/ihren persönlichen Werten und Zielen übereinstimmen. Der Wahl-o-Mat misst also den Wählerwillen in Bezug auf die Forderungen der Parteien. In der Summe aller Fragen hilft der Wahl-o-Mat dann dem/der Wählenden dabei, diese Passungsabgleiche ohne Verzerrung aufzusummieren und beantwortet darauf hin die Frage, welche Partei diesem Werte- und Meinungsbild bzw. seinem/ihrem Wählerwillen am besten entspricht. Wenn Berlins Wählende also alle den Wahl-o-Mat benutzen würden und ihrem Ergebnis entsprechend wählen, kämen die Piraten zur anstehenden Wahl in Berlin wahrscheinlich auf etwa 20%.

Mit den aktuell üblichen Mehrheitsentscheiden jedoch kommt die Piratenpartei bislang leider nur auf etwas mehr als 3%. Mehrheitsentscheide laufen psychologisch gesehen leider anders ab als gewissenhafte Entscheidungen nach dem Muster des Wahl-o-Mats:
Bei Mehrheitsentscheiden ist im Vergleich zum Wahl-O-Mat leider nicht gewährleistet, dass ein Mensch unvoreingenommen abwägt, welche Partei am besten zu ihm passt bzw. dass er/sie wie im Wahl-O-Mat unverzerrte und realitätsorientierte Passungsabgleiche der Parteiziele mit seinen/ihren Werten vornimmt. Gleichfalls muss auch die Erkenntnis, welche Partei am besten zu jemandem passt nicht zu einer entsprechenden Wahlbeteiligung führen.

Wenn ein/e Wählende irgendeine politische Partei wählt, kann man bei Entweder-Oder-Mehrheitsentscheiden im Vergleich zum Wahl-o-Mat zudem NICHT sagen, was der/die Wählende konkret will oder was er/sie im Detail mit seinem/ihrem Kreuz zum Ausdruck bringt. Mehrheitsentscheide messen nämlich im Vergleich zum Wahl-o-Mat nicht, was der/die Wählende im Einzelnen will, sondern vor allem wie gut die Manipulation (durch politische Kampagnen und mediale Massenbeeinflussung) funktioniert hat. Jeder der behauptet, dass ein/e Wählende diese oder jene politische Forderung mit seinem/ihrem Kreuz konkret zum Ausdruck bringe, spekuliert über den Kopf des/der Wählenden hinweg. Wenn der/die Wählende nicht gleichzeitig auch seine/ihre Wahl-o-mat-Ergebnisse mit bei der Wahl abgibt, kann niemand sagen, was ein Kreuz beim Mehrheitsentscheid bezogen auf die konkreten politischen Erwartungen des/der Wählenden tatsächlich bedeutet. Denn Parteiprogramme sind meist sehr umfangreich, kaum jemand liest sie und die mediale Massenmanipulationsmaschinerie (nach dem Prinzip Teile-und-Herrsche) ist vor Wahlen in vollem Gange!

Diskussionen und Entscheidungen anhand des Mehrheitsprinzips unterliegen zudem einer ganzen Reihe von psychologischen Fremdsteuerungsmechanismen. So hat z.B. bereits 1951 ein Psychologe names Asch mit seinen Experimenten nachweisen können, dass Menschen in Mehrheitsentscheiden in erschreckender Vielzahl sogar dann die Meinung einer Mehrheit annehmen, wenn diese Meinung offensichtlich falsch ist, also nicht der objektiven Faktenlage entspricht. Das geht also nicht nur dem/der Wählenden, sondern auch den Politiker*innen so. Mehrheitsentscheide sind quasi eine Analogie zu diesen psychologischen Konformitätsexperimenten und beruhen in einer Vielzahl von Fällen auf dem Mechanismus, dass Menschen unabhängig von der objektiven Realität die Option wählen, die eine Mehrheit hat. Genau diesem Prinzip unterliegt unser Wahlsystem. Im Vorfeld von Wahlen werden dabei zu Hauf immer wieder medial die Ergebnisse entsprechender Mehrheitsumfragen veröffentlicht, was nach den Erkenntnissen der Asch-Konformitätsexperimente die entsprechende Massenmanipulation immer wieder hervorruft und verstärkt.

Aus Erfahrung wissen wir zudem, dass in der Regel die Partei mit dem größten Wahlbudget den größten Manipulationserfolg hat. Wahlen werden also hauptsächlich durch die Höhe der Wahlkampfbudgets und vorauslaufende Verkündungen von Mehrheitsergebnissen bestimmt, die vermutlich genauso wirken, wie die erwähnten Asch-Konformitätsexperimente von 1951.

Das ist unsere Erklärung für diese große Diskrepanz in den Wahlprognosen von Wahl-o-Mat versus Wahlumfragen anhand von Mehrheitsentscheiden. Während der Wahl-o-Mat misst, was der/die Wählende will („Demokratie“), messen Mehrheitsentscheide, wie gut die Massenmanipulation funktioniert hat („Dämonskratie“). Die Piratenpartei hat sich also beim Wahl-O-Mat nicht, wie die Kulturredakteurin vom FREITAG behauptet, „nach oben gehackt“, sondern das aktuelle System mit manipulativen Mehrheitsentscheiden und medialer Massenbeeinflussung hackt die Piratenpartei im Vergleich zur vernüftigen Wahlentscheidung mit Wahl-o-Mat nach unten!

Wenn wir Demokratie als etwas verstehen wollen, in der Menschen gewissenhaft, frei und selbstbestimmt entscheiden, brauchen wir so etwas wie den Wahl-o-Mat in der alltäglichen politischen Willensbildung – nicht nur der AfD wegen – sondern vor allem für uns Menschen und unsere Menschenrechte!

zur Info übers Asch-Konformitätsexperiment: http://www.alltagsforschung.de/das-konformitatsexperiment-so-entsteht-gruppenzwang/

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