Es ist der 9. September 2016 und der Nachbarschaftsverein WiR e.V. (Wohnen in Rummelsburg) in Berlin Lichtenberg Wahlkreis 6 lädt zur Podiumsdiskussion der Direktkandidaten ein. Teilnehmer sind: Bausenator Andreas Geisel (SPD), Fabian Peter, Referent beim Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung (CDU), Camilla Schuler (Bündnis 90/Die Grünen), Harald Wolf (Die Linke) und Olaf Lengner von den PIRATEN.

Wahlkreis 6 ist geprägt von modernen Townhäusern, Miet- und Eigentumswohnungen mit viel Grünfläche, Spielplätzen und von Wasser umgeben. Zum perfekten Glück fehlt eine Grundschule. Man hat es schlichtweg versäumt den inzwischen über 3000 Anwohnern, Tendenz steigend, eine Grundschule zu bauen. Daher war die häufigste Frage der Bürger an das Podium, wie sie eine Schule bekommen können.

Die Anwohner schlagen ein freies Grundstück vor, das letzte, das groß genug ist, um einer modernen Grundschule mit Sportplatz, Turnhalle und ausreichend großem Schulhof Platz zu bieten. Der Bezirk allerdings möchte dieses Grundstück verkaufen. Entstehen sollen bis zu 700 Wohneinheiten und ein Wasserpark. Dagegen wehren sich die Antwohner und haben eine Petition gestartet. Die Frage des Moderators Joachim Cierpka, wie man denn nun das akute Problem der fehlenden Schulplätze lösen könnte, beantwortete Bausenator Geisel lang und ausführlich, allerdings ohne einen konkreten Lösungsvorschlag zu machen. Schließlich ging die Frage an mich, Olaf Lengner, was man denn nun sofort unternehmen müsse, um die Situation in den Griff zu bekommen: „Was man sofort unternehmen könnte? Man müsste einfach mal aufhören, Grundstücke zu verkaufen, auf denen man Schulen bauen könnte!“, war meine Antwort und der volle Saal belohntedies mit Applaus. Harald Wolf von der Linken gab mir recht, aber verwies auf die Entscheidung des Abgeordnetenhauses vom Tag zuvor, in der der Verkauf des entsprechenden Grundstücks beschlossen wurde und bei dem sich nur die Linke enthielt. (Was nicht stimmt, mehrere Piraten hatten gegen den Verkauf gestimmt.)

Ab dem Moment verwandelte sich der Abend von der Suche nach konstruktiven Lösungen in eine Veranstaltung der Schuldzuweisungen. Andreas Geisel, der im Bezirk Lichtenberg politisch groß wurde, Fabian Peter, der für den Stadtrat für Stadtentwicklung arbeitet, und Camilla Schuler, Fraktionsvorsitzende in der BVV, die immer für einen Schulstandort in der Rummelsburger Bucht eintrat und den Verkauf des Grundstücks verhindern wollte, hatten einen schlechten Stand. Aber auch ich als Pirat, dessen Fraktion mehrheitlich offensichtlich ebenfalls dem Verkauf zugestimmt hatte und die sich sonst gegen die Privatisierung von öffentlichem Eigentum einsetzt, machte mir selbst ein schlechtes Gewissen.

Im Bezirkselternausschuss, in dem ich Mitglied bin, haben wir oft über die Notwendigkeit eines Schulstandorts für die Rummelsburger Bucht gesprochen und uns dafür stark gemacht. Da alle Schüler und Eltern zwischen Landsberger Allee und Rummelsburger Bucht unter veränderten
Einzugsgebieten der Schulen leiden, um die Schule in der Victoriastadt zu entlasten, an die die Kinder aus Rummelsburg gehen müssen, war es nur logisch, auf dem nun verkauften Grundstück rasch eine Schule zu bauen.

Auf Entscheidungssuche im Abgeordnetenhaus

Wie konnte es zu dieser Fehlentscheidung durch die Abgeordneten im AGH kommen?

Ich habe mich entschieden politisch aktiv zu sein, weil ich allerorts sehe, dass falsche und intransparente Entscheidungen sowie mangelnder Einsatz zu  Politikverdrossenheit führen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die PIRATEN die richtige politische Heimat sind, um meinem Wunsch nach Verbesserung der Zustände umzusetzen. 
 
Ich machte mich also auf die Suche nach Antworten,  wie es zu dieser Entscheidung kommen konnte. Ich befragte Abgeordnete der PIRATEN im AGH, warum sie für den Verkauf stimmten und wurde auf eine Beschlussempfehlung des Hauptausschusses verwiesen. 
Der einzelne Abgeordnete kann nicht alles wissen, das nötig wäre, um fundierte Entscheidungen zu allen Themen zu treffen. Deshalb gibt es Ausschüsse, die von den Parteien besetzt werden, um detailliert Probleme zu bearbeiten. Diese Mitglieder geben dann Empfehlungen an ihre Fraktionen, wie man Stimmen könne. In diesem Fall gab es die Empfehlung, für den Verkauf zu stimmen, der die Mehrheit der Abgeordneten der PIRATEN folgte. Vielleicht muss man erwähnen, dass diese Beschlussempfehlung von Heiko Herberg kam, der für die PIRATEN im Hauptausschuss sitzt und seit einiger Zeit Mitglied der SPD ist.

Meines Wissens gibt es keine Aufzeichnungen der Ausschüsse; Protokolle gibt es erst einige Zeit später. Um also zu erfahren, wie es im Hauptausschuss zu einer Beschlussempfehlung kommt, muss man die Abgeordneten persönlich befragen. Dieses Begehren gestaltete sich schwierig, da ich niemandem im Hauptausschuss kenne und auch andere Abgeordnete der PIRATEN Probleme hatten, an diese Information zu gelangen.

Fabio Reinhardt, Mitglied des Hauptausschusses, leitete mir die E-Mail von Heiko Herberg weiter, aus der seine Empfehlung zur Zustimmung ersichtlich ist. Er ging davon aus, dass der Bezirk dem Bebauungsplan des Investors zugestimmt hat. Des Weiteren nahm ich Kontakt zu einem Abgeordneten der Linken auf, die sich bei der Abstimmung enthalten hatten. Dieser erklärte mir, dass der Verkauf im Vermögensausschuss vorverhandelt wurde, dieser vertraulich ist und er daher dazu nichts sagen könne. Aber auf Nachfrage teilte er mit, dass die geplante Schule nun in der Hauptstraße 8, einem ehemaligen Gefängnis und nun denkmalgeschützter Polizeistation, gebaut werden soll.

Das erzählte uns Bausenator Geisel auch bei der Podiumsdiskussion. Daraufhin fragte Claudia Engelmann, die für die Linken zur Wahl der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) antritt und ebenfalls Vorsitzende des Bezirkselternausschuss ist, Herrn Geisel, wie er sich sicher sein könnte, dass am Standort der Hauptstraße 8 eine Schule gebaut werden könne, wenn dazu erst eine Machbarkeitsstudie vom Bezirk in Auftrag gegeben wurde, deren Ergebnis erst im November erwartet wird und außerdem das Gelände nicht genug Platz böte für Schulhof, Turnhalle und Sportplatz.

Herr Geisel erklärte daraufhin, dass ein Stück weiter bereits ein Sportplatz sei, auf dem man zusätzlich eine Sporthalle bauen könne. Dem hielt ein  Antwohner entgegen, dass dieser Sportplatz der einzige in der Gegend sei und ihn die Anwohner und deren Kinder nutzen und ob das dann noch möglich wäre, wenn eine Schule diesen Platz nutzt. Herr Geisel sicherte eine Lösung für alle zu. Ein weiterer Gast gab zu bedenken, dass ein Teil dieses Sportplatzes eigentlich von den Wasserbetrieben genutzt werden sollte, um ein Regenwasserrückhaltebecken zugunsten der Wasserqualität der Rummelsburger Bucht zu bauen.

Zusammenfassend frage ich mich, warum der Bausenator von der Planung einer Schule in der Hauptstraße 8 spricht, wenn es dazu bis jetzt nur eine Machbarkeitsstudie mit unbekannten Ausgang geben wird und gleichzeitig nicht klar ist, wie eine Sporthalle, ein Sportplatz für die Schule, ein Sportplatz für die Allgemeinheit und ein Regenwasserrückhaltebecken auf der selben Fläche entstehen sollen.

Warum wird also diese Phantasie den Abgeordneten als Realität und Entscheidungshilfe mitgegeben? Haben die Abgeordneten diese Phantasie als solche vielleicht gar nicht erkannt?

Spurensuche in der BVV

Des weiteren hat die BVV, angeführt durch eine Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Grüne, nie dem Bebauungsplan des Investors zugestimmt. Dieser Tagesordnungspunkt wurde immer wieder verschoben. Wie konnte also den Abgeordneten suggeriert werden, der Bezirk hätte dem Bebauungsplan zugestimmt? Warum hat Bezirksbürgermeisterin Montairo die BVV nicht über den Verkauf informiert? Sie kann zwar an der BVV vorbei selbst entscheiden welche Grundstücke verkauft werden, aber bei einer entsprechenden Information an die BVV hätten die Vertreter mit den Abgeordneten des AGHs reden können, um einen Verkauf zu verhindern.

Und es kommt noch viel schlimmer. Bei der Podiumsdiskussion brachte Senator Geisel die Option ins Spiel, dass sich die BVV, die den Bebauungsplan genehmigen muss, mit dem Investor einigen könne und der vielleicht doch eine Schule baut. Nun sieht es so aus, als ob Bausenator Geisel von seinem Recht Gebrauch macht, bei einem Projekt ab 500 Wohneinheiten die Entscheidung der BVV an sich zu ziehen und zu genehmigen, wohl gemerkt nach der Wahl am 18.9.!

Alles in allem hat das weder etwas mit Transparenz zu tun noch mit Demokratie, wenn lokale Parlamente bei so wichtigen Entscheidungen ausgegrenzt und die Abgeordneten von Berlin belogen werden! Ich bin von dem Vorgehen, das wir Eltern und unsere Kinder ausbaden müssen, maßlos enttäuscht und fühle mich bestätigt, mich noch stärker bei den PIRATEN zu engagieren!

Olaf Lengner
Pirat, verheiratet, 2 Kinder, Angestellter, Mitglied des Bezirkselternausschuss Lichtenberg, Direktkandidat WK2 Lichtenberg, Platz 5 BVV-Liste, Platz 28 AGH-Liste

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