Das Volksbegehren für mehr preiswerten Wohnraum wird möglicherweise nicht stattfinden. Der Trägerverein „Mietenvolksentscheid e.V.“[1] zu dem unter anderem die Mieterinitiative „Kotti & Co“ gehört, hat sich mit einem Teil der regierenden Koalition, der SPD, auf Kernpunkte für ein neues Wohnraumgesetz für sozialen Wohnraum verständigt.

Beide Seiten haben Zugeständnisse gemacht, eine konkrete inhaltliche Bewertung seitens der Initiative steht aber noch aus. Der Senat hat z.B. zugesagt, dass die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht privatisiert werden dürfen, keine Gewinne an das Land abführen müssen sowie ihren Wohnungsbestand vergrößern und erhalten sollen.
Desweiteren soll gesetzlich festgeschrieben werden, dass die Gesellschaften einen Versorgungsauftrag für besonders benachteiligte Haushalte haben. 55% der freiwerdenden Wohnungen dürfen nur an Personen mit geringem Einkommen vermietet werden. Wer mehr als 30% des Einkommens für die Miete ausgeben muss, soll einen Zuschuss bekommen.

Im Gegenzug verzichtet die Initiative auf die Verstaatlichung der Gesellschaften.

Diese Vereinbarung, so sie denn vom Senat beschlossen wird, ist ein Erfolg der Initiative, die auf den Druck des Volksbegehrens zurückzuführen ist. Auf Basis dieser Vereinbarungen beabsichtigt der Senat dann einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in das Abgeordnetenhaus einbringen. Es ist allerdings nur ein erster Schritt hin zu mehr Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen.

Ein wichtiger Faktor ist aber auch, dass in Deutschland nicht nur zu wenige Wohnungen gebaut werden, sondern diese auch noch dort, wo sie häufig nicht so dringend gebraucht werden. Dies hat eine Studie[2] des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dargestellt. Für Berlin bedeutet dies laut IW Experten: Statt der im vergangenen Jahr gebauten 8744 müssten 20000 Wohnungen geschaffen werden, pro Jahr versteht sich. Inwieweit der IW-Vorschlag, brachliegende Industrieflächen zu nutzen, kontraproduktiv ist, kann erst die Zukunft zeigen. Denn für Wohnraum genutzte Fläche können nur noch sehr schwer für Gewerbe genutzt werden.

Außerdem bleibt ein weiteres Problem ungelöst, das auch der Mietenvolksentscheid nicht lösen wollte: Wohnungsneubau ist teuer und meist nicht mit Anforderungen für Personen mit geringem Einkommen zu vereinbaren. Hier ist die wirkliche Herausforderung für die Politik, denn sonst bleiben die Vereinbarungen des Mietenvolksbegehrens nur ein Tropfen auf den heißen Stein bzw. Wohnungsmarkt.

Ist es von Nachteil, wenn die Wähler Berlins nicht in einer Volksabstimmung über dieses wichtige Thema entscheiden können, bedeutet es eine Schwächung direkter Demokratie? Das ist schwer einzuschätzen, aber vermutlich schon. Direkte Bürgerbeteiligung erhöht nicht automatisch die Bindungskraft von Demokratie, wie unzählige Volksabstimmungen oder Oberbürgermeisterwahlen zeigen. Eines ist aber offensichtlich: Die Beteiligung ist immer dann sehr hoch, wenn das Thema bzw. eine Debatte die Menschen besonders beschäftigt.

Dies war in Berlin zuletzt bei der Volksabstimmung über die Bebauung oder Nichtbebauung des Tempelhofer Felds der Fall, denn es ging um die Zukunft der Stadt. Auch Wohnungspolitik betrifft die Zukunft der Stadt, was eine hohe Beteiligung der Wähler bedeutet hätte, ohne dass damit etwas über das Ergebnis ausgesagt ist. Wenn jetzt die SPD versucht, durch mehr frühzeitige Bürgerbeteiligung gerade auch auf elektronischen Plattformen eine frühzeitige Steuerung von Vorhaben anzuschieben – mit dem Hintergedanken einer besseren Planungssicherheit – ist dies aber nur ein Teilaspekt. Wirkliche Beteiligung im frühzeitigen Stadium schließt auch die Akzeptanz der Ablehnung eines Vorhabens mit ein, nur so wird direkte Bürgerbeteiligung zu einem vom Bürger angenommenen Instrument der Politik.

Links:
[1] „Webseite vom Mietenvolksentscheid e.V.: https://mietenvolksentscheidberlin.de/
[2] zur Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft: http://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/beitrag/wohnungsbaupolitik-klueger-bauen-238997

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