Selten habe ich einen Artikel gelesen, bei welchem die Kommentare das Thema so viel mehr auf den Punkt getroffen haben, als heute (gestern) auf tagesspiegel.de:
Leistung nur gegen Geld

Der Autor Joachim Huber bringt wirklich so viel durcheinander, wirft es in einen großen Topf, und rührt einmal herum, so dass man diesen Text nicht wirklich so stehen lassen kann.
Er verwechselt ein weltweites Netzwerk mit einem Warenkaufhaus, übersieht dass das Internet kein „rechtsfreier Raum“ ist, nimmt auch nicht zur Kenntnis, dass es inzwischen sehr viele gute Beispiele für erfolgreiche Geschäftsmodelle im Internet gibt.

Insgesamt 23 Kommentare wurden abgegeben, von deren Treffsicherheit sich der Autor mal eine Scheibe abschneiden sollte.

Hier ein paar Zitate (und Kopien!)

cmeyer schreibt:
Angst durch Unverständnis

Warum wird das Internet nicht auch von den Medienschaffenden als Möglichkeit wahrgenommen?

Ganz offensichtlich hat sich der Absatzmarkt für Medien aller Art, sei es Film, Musik, Meinung oder software, mit den Möglichkeiten des Internets potenziert. Das reproduzieren von digitalen Waren ist nicht nur für den Konsumenten, sondern auch für den Produzenten praktisch mit keinerlei Kosten verbunden!

[…]

Stattdessen versuchen die Contenverwerter (nicht die Kustschaffenden wohlgemerkt!) die Pfründe zu sichern und die Konsumenten zu schröpfen, die Preise zu halten, obwohl dass im Zeitalter unbegrenzten digitalen Reproduktion auf Dauer unhaltbar sein muss.

Und die Piratenpartei unmittelbar nachdem in Deutschland die Zensur wiedereingeführt und das Postgeheimnis abgeschafft wurde auf Urheberrechtsfälle zu beschränken geht an der Sache ziemlich weit vorbei.

marel:
Die Dimensionen des Problems sind gewaltig

Ein sehr großer Teil der Bevölkerung lebt davon, Informationen zu erstellen: Literatur, Zeitungen, Wissenschaft, Wirtschaftsanalysen, Musik, Bilder, Filme, Radiosendungen, Software, etc.. Die Liste ist sicher nicht umfassend.

Nur wenn diese Menschen für ihre Leistung bezahlt werden können sie davon leben und hochwertige Produkte erzeugen. Es geht um Millionen von Existenzen. Es geht um den Kern unserer Kultur.

[…]

ie Kriminalisierung der „Schwarzkopierer“ ist hierbei sicherlich ein schlechte und völlig unzureichende Lösung. Die völlige Überwachung der Datenströme, wäre ebenfalls ein allzu tiefer Einschnitt in die freiheitlichen Bürgerrechte.

Es ist für uns alle existentiell wichtig, tragfähige Antworten auf dieses Dilemma zu geben. Hier müssen alle Seiten gehört werden und Vorschläge einbringen können. Darum ist die Piratenpartei wichtig, denn sie sie hat Vorschläge und will diese in die Politik einbringen. Das kann ich nur begrüßen, auch wenn ich nicht unbedingt die Vorschläge teile. Aber gute Ideen sind wirklich gefragt, jeder Vorschlag ist diskussionswürdig.

Es ist kein Zufall, daß die Piraten aus dem Stand ins Europaparlament gewählt wurden. Es lebe Europa!

jetbundle:
Geld verdienen

Ich bin Wissenschaftler und verdiene Geld damit Wissen zu schaffen und zu veroeffentlichen. Allerdings profitiere ich vom freien Zugang zu meinen Artikeln, und ich betrachte Fachjournale als Wegelagerer, die aus nichts Geld schaeffeln.

Die Frage ist doch wie werden Kultur und Journalismus finanziert, und wem gehoeren Kultur und Wissen. Kultur durch Urheberrechte und Zugangsbescraenkung zu finanzieren hat in der Vergangenheit durch die materiallen Medientraeger funktioniert – das Konzept hat aber im Zeitalter des freien Datenflusses, und der Medienunabhaengigen Kulturschaffung im Internet ausgedient, oder muss zumindest veraendert werden. Zudem sind die Physischen Notwendigkeiten, wie grosse Studios und Verlage nicht mehr notwendig.

Die Verlage und Labels haben die Neuerungen leider varschlafen – und koennen auch nicht erwarten, wie Fachjournale, keine eigenen Leistungen zu Erbringen (z.B. Publicity und Nachwuchsfuerderung sind im Web 2.0 kostenlos) und trotzdem zu kassieren.

Im 21. Jh. sind neue Konzepte Notwendig: Finanzierung aus anderen Quellen (Konzerte, Kunstwerke verkaufen, Stiftungen, Oeffentl. Gelder etc.), Werbung, Zusatzservices, freiwillige micro-Donationen, zeitliche Abonnements oder micro-Zugangsbezahlung (die der groesseren proliferierung Rechnung traegt).

fsiggi:
Eigentum und Urheberrecht

Es gibt die Menschenrechte auf Fernmeldegeheimnis, auf informationelle Selbstbestimmung und auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, Herr Huber!

Das Urheberrecht hingegen ist kein Menschenrecht.

Joachim Huber schmeißt die Begriffe Eigentum und Urheberrecht wild durcheinander. Deshalb liest man hier Blödsinn wie „Diebstahl geistigen Eigentums“. Eigentum ertreckt sich nur auf körperliche Gegenstände (§90 BGB). Diebstahl kann man nur an beweglichen Sachen verüben (§242 StGB).

Er suggeriert, dass Kopieren „Klauen“ sei. Auch das ist Blödsinn. Denn beim Klauen hat der Beklaute nichts mehr, beim Kopieren aber gibt es beides – das Original und die Kopie.

Im übrigen ist niemand – auch der Tagesspiegel – nicht gezwungen, irgendwas kostenlos ins WWW zu stellen.

Fakt ist, dass viele Urheber und Rechteinhaber die technische Revolution der Digitalisierung nicht begreifen. Sie versuchen das überkommene Geschäftsmodell zu retten, indem sie de facto die Abschaffung von Grundrechten fordern, z.B. die Abschaffung des Fernmeldegeheimnisses und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Rechts auf die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Zumindest fordern viele Urheber, die Grundrechte in ihrem Wesensgehalt anzutasten, was aber verfassungswidrig ist (Art. 19 Abs. 2 GG).

Die Piratenpartei wehrt sich gegen die geforderten Einschränkungen der Grundrechte. Schon immer durfte man für private Zwecke Kopien straffrei erstellen. Auch dieses Recht soll den Konsumenten genommen werden.

Die Piratenpartei weiß auch, dass Urhebern für ihre Leistungen ein Entgelt zusteht. Dazu müssen aber nicht Grundrechte verstümmelt werden.

Unter den Kommentaren findet man noch viel mehr sinnvolle Anmerkungen, allein aus Platzgründen führe ich sie nicht weiter aus.

Es muss doch sehr erstaunen, wenn von Journalisten die bezahlt werden wollen, solch ein nichtssagenden, das Problem nicht treffenden Kommentar veröffentlicht wird, diejenigen aber, über die hergezogen wird, das Thema auf den Punkt bringen, und genau verstanden haben, worauf es ankommt.

Ein Kommentar

  1. 1

    Wie geil ist das denn…
    Sehr viele und vor allem GUTE Gründe und Aspekte, die man so für zukünftige Diskusionen behalten sollte.

    Vielen Dank, rka!

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